Beiträge zu Büchern

DIE BIBEL UND DIE POLITIK

 

Wie kannst du nur in eine Partei eintreten? Das verstehe ich nicht.« Der Mann aus meiner Gemeinde schüttelte vehement den Kopf. Ein Pastor in einer Partei? Darüber kann man freilich diskutieren. Ein Pastor repräsentiert ja nicht nur sich selbst, sondern eine Kirche. Und in einer Kirche ist jeder willkommen. Egal, welcher Partei er angehört. Ob diese Neutralität noch gegeben ist, wenn die Gemeinde

über ihren Pastor mit einer bestimmten politischen Richtung verknüpft

wird?

Doch um diese Frage ging es dem Mann gar nicht. »Ich könnte niemals

ein Parteiprogramm unterschreiben. Wie kann man denn hundertprozentig

dahinter stehen?«

Nun verstand ich sein Anliegen. Er ist in der DDR aufgewachsen. Die

staatstragende SED war mehr als nur eine Partei. Sie war eine Ideologie,

getragen vom materialistisch-atheistischen Menschenbild. Wer in der

DDR etwas werden wollte, musste (zumindest nach außen) diese Ideologie

vertreten. Für viele Christen war daher die Alternative klar: Christ oder Sozialist. Man ging nicht in die FDJ, feierte keine Jugendweihe, ging zu den Bausoldaten – und durfte im Gegenzug nicht studieren.

 

KEIN PARADIES AUF ERDEN

Wir hatten eine längere Diskussion. Dabei war mir wichtig, zu betonen,

dass ich natürlich nicht jedem Punkt im Programm meiner Partei zustimme. Und in einer Demokratie muss ich das auch nicht. Ich habe mich für die Partei entschieden, in der ich die meisten Übereinstimmungen finde. Mehr nicht.

 

Als Theologe würde ich sogar noch einen Schritt weiter gehen: Keine Partei kann für sich in Anspruch nehmen, eine hundertprozentig richtige (oder gar hundertprozentig christliche) Politik zu machen. Ja, das ist sogar gefährlich. Noch hat jeder, der das Paradies auf Erden schaffen wollte, eher ein Tohuwabohu geschaffen. In Gottes neuer Welt wird es einmal der Fall sein, dass wir in einer erlösten, perfekten Welt leben. Vorher nicht. Wer etwas anderes verspricht, der vertut sich – sei es eine Person oder eine Partei. Hier auf dieser Erde, in einer gefallenen Schöpfung, sind wird nicht im Perfekten, sondern im Unfertigen, nicht im Ewigen, sondern im Vorläufigen, nicht im »Letzten«, sondern im »Vorletzten«, wie

Dietrich Bonhoeffer es nannte.

 

JESUS UND DIE POLITIK

Klar ist: Jesus war kein Politiker. Ja er hat sogar gesagt: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt« (Johannes 18,36). Aber es wäre ein großes Missverständnis,

daraus abzuleiten, dass Jesus sich nicht für den Zustand der Welt interessiert hätte. Die Bergpredigt (Matthäus 5–7) ist (auch) eine Art Manifest für eine christlich-soziale Gesellschaftsordnung: Frieden, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sind die Themen. Vollkommen werden wir diese Werte auf dieser Erde nicht erreichen, das ist klar, und das meint Jesus, wenn er sagt, sein Königreich sei nicht von dieser Welt. Aber:

Jesus sagt auch, dass seine Nachfolger »Salz und Licht« (Matthäus 5,13-

15) sein sollen, dass sie sich – buchstäblich – einmischen sollen, so wie

man den Sauerteig in den Teig hineinmischt (Lukas 13,20-21). »Geht so

mit anderen um, wie die anderen mit euch umgehen sollen« (Matthäus 7,12),

lautet die sogenannte »Goldene Regel«, in der Jesus alle anderen Gebote

zusammenfasst. Es wird deutlich: Christen sollen aktiv sein, ja an der Spitze stehen, wenn es darum geht, etwas für das Wohl der Menschen und der Gesellschaft zu tun.

 

AUFTRAG ZUM HANDELN – GRENZEN DES HANDELNS

Jesus greift damit auf große biblische Traditionen zurück. Adam – und

damit die Menschheit, deren Prototyp Adam ist - erhält den »Schöpfungsauftrag«: wir sollen die Welt gestalten.

Viele der großen Figuren des Alten Testaments waren Politiker: Mose, David, Salomo, um nur einige zu nennen. Doch nicht nur beim »Spitzenpersonal« ist Politik ein Thema. Der Prophet Jeremia fordert die nach Babel verschleppten Juden auf:

»Setzt euch ein für den Frieden und das Wohlergehen Babels, wohin ich

euch als Verbannte geschickt habe. Betet für das Wohlergehen der Stadt – denn

wenn die Stadt, in der ihr gefangen gehalten werdet, Frieden hat, habt ihr auch

Frieden« (Jeremia 29,7).

Der Begriff Politik kommt vom Griechischen: Polis heißt »Stadt«. Ein Politiker ist jemand, der Verantwortung für das Wohlergehen einer Stadt (und eines Landes) übernimmt. Für die ganze Stadt, nicht nur für die Gläubigen! Genau das fordert Jeremia: praktisches Engagement ergänzt durch Gebet.

Die Bibel beschreibt aber auch eine Spannung: Im Römerbrief lesen wir (Kapitel 13,1), dass wir uns in den Staat einfügen sollen (»Gehorche der Regierung, unter der du lebst«), während in der Apostelgeschichte (5,29) einem blinden Untertanengehorsam eine Grenze gesetzt ist: »Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen«, antwortet Petrus, als man ihm verbieten will, von Jesus zu erzählen. Ein Christ wird den Menschen dienen, sich in den Staat einfügen, aber er wird dabei nie seinen Gott und seine Grundwerte verleugnen. »Dann gebt dem Kaiser, was ihm gehört. Und gebt Gott, was Gott gehört«, sagt Jesus (Matthäus 22,21).

 

VIELE MÖGLICHE SPIELFELDER

Für dieses Engagement habe ich meinen Platz gefunden. In einer Partei. Wie andere Christen auch. Manche sind in der CDU und machen sich etwa für Themen wie Familie oder Religionsfreiheit stark. Christen in der SPD betonen stärker die soziale Gerechtigkeit: »Wer arbeitet, hat auch Lohn verdient« (Lukas 10,7). Die Grünen stellen traditionell die Bewahrung der Schöpfung in den Mittelpunkt. Die FPD plädiert für die Freiheit.

Das sind sehr holzschnittartige Blicke auf einige der einzelnen Parteiprogramme,

doch schon an diesen wenigen Beispielen wird deutlich: Alles Genannte sind biblische Werte. Ein Christ kann in jeder demokratischen Partei Themen finden, für die er sich engagieren möchte. Und er wird ebenso an jedem Programm etwas zu kritisieren haben. Es bleibt dabei: Keine Partei, kein Parteiprogramm kann ein Evangelium sein und die ganze Wahrheit wiedergeben.

Eine christliche Politik gibt es nicht. Aber es gibt Christen in der Politik. In allen Parteien. Als Christ werde ich falschen Versprechungen nicht glauben, aber ich will Verantwortung für die Welt übernehmen. Ich will mithelfen, dass das Reich Gottes Gestalt gewinnt, und darum werde ich für Gerechtigkeit und Frieden, für Wohlstand und für Solidarität meine Stimme erheben und meine Kraft einsetzen.

 

Uwe Heimowski

 

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